Am Abend des 22. Juli 2020 hatte die Eppelheimer Liste zur öffentlichen Gesprächsrunde über das Stadtentwicklungskonzept eingeladen, und das Interesse war außerordentlich groß. Der Vorsitzende Bernd Binsch konnte zahlreiche interessierte Bürgerinnen und Bürger zu Beginn des Abends begrüßen, darunter auch ein halbes Dutzend Teilnehmer des Bürgerbegleitgremiums. Mit der Einladung waren schon drei zentrale Fragestellungen für die Gesprächsrunde gegeben: „Wird unsere Hauptstraße zur Einbahnstraße?“, „Was wird aus der Rudolf-Wild-Straße und dem Gewerbegebiet?“ und „Wo stellen wir morgen unsere Autos ab?“. Anlass für diese Fragestellungen waren das Stadtentwicklungskonzept 2035, die Bewerbung als „Modellkommune Klima-Mobil“ beim Verkehrsministerium in Stuttgart und das kürzlich zur Abstimmung gestellte Mobilitätskonzept.
Vostellung des Themas zur Einladung
Bei seiner Einleitung stellte Bernd Binsch klar, dass es auch in ferner Zukunft motorisierten Individualverkehr geben wird, sei es mit Akkumulatoren oder mit Wasserstoff. Immerhin unterstützt unsere Bundesregierung mit öffentlichen Geldern die Forschung und Entwicklung nachhaltiger Antriebstechniken. Im Zentrum Eppelheims leben Bürger in bis zu 100 Jahre alten Wohngebäuden. Die Gebäude, für die beim Bau anfangs des 20. Jahrhunderts kein Platz oder Zufahrten für Parkplätze auf den Grundstücken vorgesehen waren, werden zwar in Schuss gehalten, ihnen sollen dem vorgelegten Konzept zufolge nun aber jedwede Parkmöglichkeiten im Umkreis genommen werden.
Bei den Varianten mit Einbahnstraßen in der Haupt-, Blumen- und Scheffelstraße ist zu erwarten, dass für den Verkehr mit Ziel im Zentrum Eppelheims bis zu doppelte Fahrtwege zu erwarten sind, der Verkehr eher beschleunigt statt entschleunigt wird, und dies entlang der beiden Kindergärten der Scheffelstraße.
Erfreulich aus Sicht der Eppelheimer Liste ist die Umgestaltung der Kreuzung Richard-Wagner-/Rudolf-Wild-Straße. Umso mehr, weil die Eppelheimer Liste noch vor zwei Jahren eine derartige Maßnahme forderte, was alle anderen Fraktionen des Eppelheimer Gemeinderats jedoch ablehnten. Den Schwerlastverkehr aus dem Wohngebiet herauszuhalten, ist ebenfalls eine lange Forderung der Eppelheimer Liste. Für fehlgeleitete LKW-Fahrer muss es dazu eine Wendemöglichkeit geben, z.B. einen dafür ausreichend bemessenen Kreisverkehr zwischen Wohn- und Gewerbegebiet-Süd.
Die Anbindung des Gewerbegebiets Nord an den Güterfernverkehr ist für die Ansiedlung durch Gewerbe und Industrie denkbar schlecht. Die Verlängerung der Seestraße an den überörtlichen Verkehr war bereits ein Versprechen aus der Zeit, als das Gebiet in den frühen 1960ern für Gewerbe erschlossen worden ist. Umgesetzt worden ist sie nie.
Mit der aufgezeigten Bandbreite von Fragestellungen, die diese Konzepte zum Wohle der Stadt lösen müssen, füllte sich die Rednerliste fortwährend.
Teilnehmer berichten
Als interessante Kenner und Sprecher zum Thema erwiesen sich die anwesenden Teilnehmer des Bürgerbegleitgremiums. Übereinstimmend trat zutage, dass die Arbeit des Bürgerbegleitgremiums sowohl mit den Modellentwicklungen als auch mit der Konsolidierung noch gar nicht fertig gewesen ist, als das Stadtentwicklungskonzept (Büro STEG) und das Mobilitätskonzept (Büro Koehler & Leutwein) dem Gemeinderat zur Beschlussfassung vorgelegt worden sind. Vereinzelte Teilnehmer fühlen sich von der Kommunikation abgeschnitten. Das wurde zwar bemängelt, dennoch waren Teilnehmer überrumpelt von der übereilten Vorlage im Gemeinderat. Ferner werden fehlende Darstellungen und Bewertungen aller Modelle und Varianten bemängelt. In der Dokumentation, die dem Gemeinderat vorgelegt worden ist, fehlen eingebrachte Modelle gänzlich, werden also vorenthalten. Ein diskutierter Zweirichtungsverkehr in der Blumenstraße fehlt ebenso wie vorgebrachte Vorschläge zu Flächen für Parkplätze und Tiefgaragen im Zentrum. Das Gremium habe insbesondere zu Beginn der Treffen gut und sachlich gearbeitet. Dennoch ist zunehmend der Eindruck entstanden, dass die moderierenden Büros „Klienteldenken“ mit wahrgenommenen Banalisierungen gegeneinander ausspielten. Die entstandene Unzufriedenheit spiegelt sich auch am deutlich gesunkenen Interesse an den Sitzungen wieder. So sank die Teilnehmerzahl an den Sitzungsterminen dramatisch, und zwar zuletzt auf weniger als ein Zehntel derer zu Beginn. Das öffentlich entgegengebrachte Lob über „die gute Beteiligung im Bürgerbegleitgremium“ verfehle als bloße Worthülse den vielleicht gut gemeinten Zuspruch der Bürgermeisterin. Die Teilnehmer des Bürgerbegleitgremiums warben für die Möglichkeit, stets offen für neue Teilnehmer zu sein – soweit nicht auch die Bürgerbeteiligung als Ganzes in der Schublade landet.
Verwirrung im Beteiligungsprozess stiftete zudem die Nachbarstadt Heidelberg. Zu Beginn des Jahres sollten dort Planungen durch Eppelheims südliches Gewerbegebiet auf den Weg gebracht werden: Eine Straßenbahnlinie in die Patrick-Henry-Village und eine Radschnellverbindung. Der Antrag der Eppelheimer Liste vom Februar, dass die RNV den Eppelheimer Gemeinderat in ihre Planungen einweiht, ist bis heute nicht behandelt worden. Die Vorzugsvariante der Radschnellverbindung – soweit diese Variante Vorzüge böte – sieht den zwingenden Verlauf über Teile des Bahndamms vor. Der Bahndamm wurde jedoch exakt an jenem Tage an Privat versteigert, als der Ausschuss des Kreistags das überörtliche Radwegenetz zur Öffentlichkeitsbeteiligung einbrachte; darunter auch die Radschnellverbindung durch Eppelheim.
Auswirkungen auf Bürgerbegleitgremium und Ergebnisse
Die Berichte aus dem Bürgerbegleitgremium warfen in der Runde weitere Fragen auf. Die vorgebrachten Enttäuschungen aus dem Bürgerbegleitgremium ließen mutmaßen, dass die Bürgerbeteiligung nur zum „Alibi“ werden könne. Leser des eingebrachten Konzepts und seiner Visualisierungen fielen Lücken bei der Verkehrserhebung auf. So fehlt beispielsweise eine Erhebung des Verkehrsvolumens, das täglich über die Schwetzinger Straße einfährt; die übrigen vier von fünf Einfahrtstraßen sind hingegen gezählt und die Erhebung visualisiert worden. Die in der Hauptstraße gezählten Radfahrer zeigen eine auffällige richtungsabhängige Differenz. Es liegt nahe, dass Radfahrer die Schienenseite in der Hauptstraße wegen des Sturzrisikos entlang der Schienen bewusst meiden. Der anvisierte Modalsplit zugunsten des Radverkehrs in der Hauptstraße offenbart damit ein bisher unausgesprochenes Hindernis.
Ein Beobachter sprach über eine „unsichtbare Kraft“, die auf den Prozess zu wirken scheine. Die im schriftlichen Konzept fehlenden Informationen aus der Arbeit des Bürgerbegleitgremiums decken sich mit der Zuhörerbeobachtung aus der jüngsten Gemeinderatssitzung zur Bewerbung als „Modellkommune Klima-Mobil“: Der Vortrag eines Gemeinderats wurde seitens der Sitzung leitenden Bürgermeisterin energisch unterbrochen, als dieser aus dem „Letter of Intent“ (Absichtserklärung) die darin genannten „Einbahnregelungen“ zitierte. „Soll das Mobilitätskonzept ein Konzept für Eppelheims Bürger werden oder nur ein gefälliges Bewerbungsschreiben an den Stuttgarter Verkehrsminister für eine der 15 ausgelobten ‚Modellkommunen‘?“, drängt sich als Frage dazu auf.
Im Konzept vermisst wird weiter eine orts- und bedarfsgerechtere Zuteilung bewirtschafteten Anwohner-Parkraums. Anwohnern werden unverständlich gewählte Parkplatzorte zugewiesen, deren Weg dorthin nahegelegenere Parkzonen auf unbegründete Weise einfach ein- bis zweimal überspringt. Ein anderer Bürger ist über die Entwicklung des ehemaligen, in Privatbesitz befindlichen Parkplatzes in der Dr.-Emil-König-Straße enttäuscht. Eine für alle Seiten positive Einigung mit dem Eigentümer stand noch vor einem Jahr in greifbarer Nähe, das Tuch zwischen Gemeinde und Eigentümer sei jedoch fahrlässig zerschnitten worden. Der Parkdruck verteilt sich damit zusätzlich in die umliegenden Straßen des Zentrums.
Fazit der Gesprächsrunde
Bernd Binsch und sein Fraktionskollege Jürgen Sauer konnten aus der Abendveranstaltung eine gehörige Menge Informationen für die anstehende Gemeinderatssitzung mitnehmen. Die fast durchgehend übereinstimmenden Mängel am Bürgerbeteiligungsprozess stehen dem Bild, das die Verwaltung dem Gemeinderat dazu bisher skizzierte, diametral gegenüber. Die EL-Gemeinderäte betonten, dass der geebnete Weg der Bürgerbeteiligung vorsehe, dass alle Erkenntnisse aus der Bürgerschaft vorbehaltslos in die Darstellung des Konzepts einfließen müssen. Der gesamte Gemeinderat stehe in der Pflicht, dass die Anforderungen an den Bürgerbegleitprozess auch erfüllt werden. Termine des Stuttgarter Verkehrsministeriums für „Modellkommunen“ dürfen der Bürgerbeteiligung und der Wertschätzung der dort geleisteten Arbeit keinesfalls entgegenstehen.