v.l.: Bernd Binsch (EL), Rainer Hüngerle (BI), Jürgen Sauer (EL) und Thomas Gaisbauer (BI)

Die Eppelheimer Liste hatte im Mai zur öffentlichen Gesprächsrunde Herrn Hüngerle und Herrn Gaisbauer von der Bürgerinitiative gegen Tiefengeothermie Brühl/Ketsch e.V. als Referenten zum gleichnamigen Thema zu Gast.

Was ist und wofür steht Tiefengeothermie?

„Tiefengeothermie“ ist die industrielle unterirdische Förderung von Wärme mittels Sole aus einer Tiefe von 3.500 Meter und mehr. Die Sole besteht aus Wasser, Salzen, Gasen und Schwebstoffen. In Deutschland gibt es insgesamt drei größere Gebiete, in deren angestrebten Tiefe Sole oder trockenes Gestein mit Temperaturen über 100°C vorkommen. Unser Oberrheingraben zählt dazu. Die geförderte Sole soll primär zur Fernwärme-Erzeugung genutzt werden, je nach Bedingungen auch zur Stromerzeugung. Nach der thermischen Energie-Gewinnung wird die Sole in die ursprüngliche Tiefe zurückgepumpt. Die hierbei am Trinkwasservorkommen vorbei umgewälzte Sole wäre Sondermüll.

Schematisches Prinzip der Tiefengeothermie.
Schematisches Prinzip der Tiefengeothermie.
Menschengemachte Seismizität allenfalls durch Abschalten beherrschbar

Die Bohrungen und das laufende Verfahren sind, wie Beispiele belegen, unbestreitbar mit erheblichen Risiken verbunden. Zum geologisch als Erdbebengebiet bekannten Oberrheingraben summieren sich nun Wagnisse aus industriell erzeugten Druckschwankungen im Untergrund der betroffenen Siedlungsgebiete. Die Quellen, insbesondere die Tiefe der Beben sind lokalisierbar und als „menschengemacht“ zu identifizieren. Um Straßburg und Kehl (Ortenaukreis) bebt auch nach vorzeitig finaler Aufgabe der Bohrlöcher die Erde immer noch. Die Anlage in Landau steht für die Dauer von Wochen wiederholt still, sobald seismische Aktivität von ihr ausgehend registriert wird. Mehr Beherrschbarkeit, wie sie seitens der Betreiber betont wird, liegt also auch heute noch nicht vor.

Akteure und Interessen

Die überkochende Goldgräberstimmung für Tiefengeothermie in unserer Umgebung wird nach vermuteten Lithiumvorkommen nun auch durch dem Kohleausstieg bis spätestens im Jahr 2038 befeuert – ohne die Gewissheit grundlastfähiger Ersatzenergiequellen. Vom Ausstieg betroffen ist das Großkraftwerk Mannheim (GKM), welches maßgeblich die Fernwärme für Mannheim und Heidelberg erzeugt. Deren öffentliche Eigentümer, die EnBW und die MVV, sind nun auch die treibende Kraft als GeoHardt GmbH (Sitz: Schwetzingen). Die MVV Energie AG ist zugleich im Rat der AGORA Energiewende vertreten, deren Geschäftsführer bis Dezember 2021 der jüngst entlassene Staatssekretär Patrick Graichen war. Dieser in Ministerien ragende Rat tagt unter den sog. „Chatham House Rules“ – ein eingeschränkter Verschwiegenheitskodex.

Betreiber, zuständige Behörden und die „Experten“

Die zuständigen Behörden für Tiefengeothermie sind zweigeteilt. Das RP Karlsruhe ist für Genehmigung und Aufsicht des oberirdischen Teils der Anlagen zuständig, das RP Freiburg für den unterirdischen Teil unabhängig voneinander. Betreiber und Behörden greifen für verfahrenstechnische Fragestellungen bevorzugt auf das Karlsruher Institut für Technologie KIT zurück. Deren Experten alarmieren bereits heute mit ihrer Aussage zur Beherrschbarkeit: „Schäden sind hinzunehmen.“

Sobald die versorgten Fernwärmenetze aber auf die Grundlastfähigkeit aus Tiefengeothermie angewiesen sind, wird also damit zu rechnen sein, dass Schäden aus Störfällen zum Nachteil des in Unruhe versetzten Siedlungsuntergrunds billigend zugemutet werden.

Energiebilanz nicht regenerativ

Die Bürgerinitiative sieht die mangelnde Grundlastfähigkeit mit weiterer Sorge. Die anvisierten Tiefen gelten keinesfalls als regenerativ. Nach etwa 30 Jahren ist die Sole bzw. das Gestein nach Verbands– und Wissenschaftsangaben [1] [2] durch die stetige Energieentnahme unter Nennleistung soweit abgekühlt, dass die Gebiete und deren Bohrlöcher wegen mangelnder oder gar ausblei­bender Wirtschaftlichkeit aufgegeben werden. Die Jahre der Wirtschaftlichkeit sinkt also mit der konstant entnommenen Wärmeenergie. Damit ist absehbar, dass bis zum endgültigen Kohleaus­stieg viele weitere Anlagen mit neuen Bohrungen an immer neuen Standorten in Angriff genommen werden.

Tiefengeothermie-Anlagen sind nicht regenerativ. Bei konstantem Betrieb übersteigt die Wärmeentnahme die Wärmezufuhr aus dem Erdinnern.
Tiefengeothermie-Anlagen sind nicht regenerativ. Bei konstantem Betrieb übersteigt die Wärmeentnahme die Wärmezufuhr aus dem Erdinnern.
Rohstoff-Vermutung für Lithium hoch spekulativ

Die Wirtschaftlichkeits-Progonose der Tiefengeothermie-Anlagen wird durch die Vermutung des Rohstoffes Lithium im Oberrheingraben öffentlich gerne stimuliert. Tatsächlich beschränkt sich die Vermutung nur auf die erteilten „Aufsuchungserlaubnisse“, die mit der Förderung tiefer Erdwärme einhergehen. Für diese Erlaubnisse ist es unerheblich, dass das vermutete Lithium nicht als reiner Rohstoff vorkommt, sondern allenfalls als Salzverbindungen in der Sole. Die tiefe Wärmesole ist als Sondermüll zwar nicht gewünscht, soweit aber Lithiumsalze in wirtschaftlicher Menge gefunden würden, ist auch klar, dass das Versprechen „geschlossener Kreisläufe“ der umgewälzten Sole gerade dann in Frage gestellt werden wird, wenn das Sorptionsverfahren für vermutetes Lithium abweichende Umwälzungs-Volumina als zur Wärmegewinnung bedingen.

Die Eppelheimer Liste bedankt sich bei der BI gegen Tiefengeothermie für die ausführlichen Einblicke, die sie aus persönlichem Einsatz und durch Austausch mit Initiativen andernorts gesammelt haben.


[1] GFZ – Helmholtz-Zentrum Potsdam: „Ökologische Aspekte einer geothermischen Stromerzeugung – Analyse und Bewertung der Umwelteffekte im Lebensweg“Seite 5 unten (Abruf 24.06.2023)

[2] Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik, Geothermisches Informationssystem:Aktuelle Forschungsdaten zu Potential und Nutzung geothermischer Energie in Deutschlan“Seite 18 unten (Abruf 24.06.2023)

Bürgerinitiative gegen Tiefengeothermie Brühl/Ketsch e.V.

Für aktuelle Informationen und Entwicklungen zur Tiefengeothermie sowie bei Interesse einer Mitgliedschaft empfehlen wir die Internetseite geothermie-bruehl.info der Bürgerinitiative gegen Tiefengeothermie Brühl Ketsch e.V. (Sitz: Brühl).

E-Mail: info@geothermie-bruehl.info


Update: 25. Juni 2023