
Dieser Frage stellte sich Holger Reutner, Netzplaner eines großen deutschen Stromnetzbetreibers, mit einem aufschlussreichen Vortrag aus der Praxis.
Die Welt der Elektrizität
Die bedarfsgerechte Bereitstellung und Verteilung elektrischer Energie in einem landesweiten Verbundnetz ist eng mit physikalischen Größen verwoben. Und so führte Holger Reutner die zahlreich Erschienenen zunächst anschaulich in die Begriffswelt von Volt, Ampere, Watt, Wattstunden und Netzfrequenz.
Die Struktur der Stromnetzbetreiber
Die Verteilung ist abhängig von der Leitungsdistanz in vier Netzebenen organisiert:
- Höchstspannung,
- Hochspannung,
- Mittelspannung und
- Niederspannung.
Letzteres ist direkt mit unseren bekannten Stromzählern verbunden. Auf höchster Ebene speisen leistungskonstante, konventionelle Kraftwerke ihre Stromenergie ein. Auch Import, Export und Transit von Strom innerhalb Europas geschieht hierüber. Die Verbindung zwischen den vier Netzebenen unterschiedlicher Spannung (in Kilovolt) leisten Transformatoren.
Stromnetzbetreiber tragen für wichtige und kritische Funktionen Verantwortung.
Die Aufgabe der Stromnetz-Betreiber ist es, die Verbindung zwischen Stromerzeugern und -verbrauchern unter Einbindung des europäischen Verbundnetzes sicherzustellen. Eine Besonderheit dabei ist die europaweite Synchronhaltung der Netzfrequenz, deren Referenzwert noch auf lange Sicht einzig durch die Generatoren konventioneller Kraftwerke geliefert wird. Jeder Um- oder Wechselrichter im Netz bezieht die zu erzeugende Netzfrequenz aus dieser in Europa einheitlichen Referenz. Die verpflichtende Zunahme dezentraler Erzeuger wie Erneuerbare (Photovoltaik, Windkraft) und Biomasse stellt die Netzbetreiber vor die zusätzliche Aufgabe, anstelle abnehmender leistungsstarker Kraftwerke nun zunehmend kleine Erzeuger in die jeweiligen Netzebenen einzuspeisen. Hierfür ist die Planung und Erhöhung der Leitungsdichte in den unteren Netzebenen eine weitere Aufgabe der Netzbetreiber (Netzausbau).
„Merit Order“ – Das Prinzip der Strompreisbildung in Deutschland
Die Strompreis wird nach dem Prinzip „Merit Order“ gebildet. Netzbetreiber prognostizieren im Voraus den Stromverbrauch stundengenau. Der Prognose stehen eine Vielzahl angeschlossener Erzeuger gegenüber, die aufsteigend nach individuellen Grenzkosten pro Megawattstunde (MWh) geordnet sind. Während Gestehungskosten ab der ersten MWh alle Kosten (auch Anlageninvestition) beinhalten, sind die Grenzkosten nur solche für jede weitere erzeugte MWh. Bei Erneuerbaren sind die Grenzkosten wegen obsoleter Brennstoffe nahe Null. Die Differenz trägt mittlerweile der Bund (Steuerzahler) als Subvention („Energie- und Klimafonds“). Anhand der Grenzkostenordnung aller Anbieter ergibt sich der Strompreis anhand der Grenzkosten des gerade noch für den Bedarf benötigten Kraftwerks. Stehen Erneuerbare situativ nicht hinreichend zur Verfügung (z.B. Dunkelflaute), bildet sich der Strompreis aus redundanten Kraftwerken höherer Grenzkosten.

Weitere Beispiele bei der Forschungsstelle für Energiewirtschaft e. V.
Der Preis bildet sich zum sog. Day-Ahead-Markt, der Vortageshandel, bei dem der Bedarf nach prognostiziertem Verbrauch festgelegt wird. Was passiert, wenn der Verbrauch im Day-Ahead-Markt zu niedrig prognostiziert worden ist? Diese Nachfrage wird im Intraday-Markt (Kurzfristige Korrektur) verhandelt. Er dient dem Ausgleich von Prognose und Realität. Der Nachteil sind dann unvorhersehbare Preise, die sehr dynamisch auf Unter- oder Überkapazitäten reagieren.
Die Bundesnetzagentur bietet auf der Internetseite SMARD (Strom- und Gasmarktdaten für Deutschland) visualisierte Marktdaten aus dem Geschehen im Stromnetz- und Strommarkt: Stromerzeugung, Stromverbrauch, Markt (auch Stromimport und -export) und Systemstabilität. Die Diagramme lassen sich nach eigenen Interessen und Themen zusammenstellen.
FAZIT: Der Preis ergibt sich aus dem teuersten noch benötigten Kraftwerk. Erneuerbare senken die aktuellen Marktpreise deutlich, teils sogar ins Negative. Fehlende Speicher und teure Reserveleistung führen bei Flauten zu Preisspitzen.
Die Zukunft der Stromerzeugung und des Strommarktes
Das wesentliche Ziel ist die beabsichtigte Klimaneutralität bis zum Jahr 2045. Der weiter abnehmende Anteil konventioneller Kraftwerke mit Kohle als fossile Primärenergieträger kann in diesem Rahmen nur durch „Erneuerbare“ ersetzt werden. Zur Absicherung der ausreichenden Stromversorgung bei Dunkelflauten (abhängig von Tageszeit, Jahreszeit und Wetter für Sonne und Wind) geht mit dem Ausbau von Photovoltaik und Windkraft auch der Ausbau von (Erd-) Gaskraftwerken einher. Erdgas ist zwar auch ein fossiler Energieträger, der CO2 ausstößt und zudem in der Beschaffung vergleichsweise teuer ist, und soll als Brückentechnologie genutzt werden. Diese Gaskraftwerke sollen in Zukunft auf „grünen Wasserstoff“ und „synthetisches Methan“ („Power-to-Gas“) umgerüstet werden. Sie bleiben unverzichtbar, weil Gaskraftwerke relativ schnell in Betrieb genommen werden können, um unvorhersehbare Unterkapazitäten der volatilen Erneuerbaren auszugleichen.
Das ferne Ziel ist daher die Speicherung von erzeugten Überschüssen aus Erneuerbaren, um diese dann gespeicherten Energievorräte bei Dunkelflauten abrufen zu können. Der direkt Weg sind große Batteriespeicher, wie sie derzeit an Standorten ehemaliger Kern- und Kohlekraftwerke geplant sind. Der indirekte Weg ist die Umwandlung von Energieüberschüssen in synthetische Brennstoffe („grüner Wasserstoff“, „Power-to-Gas“) zur Verwertung in Gaskraftwerken.
Ob über Speicherung in Batterien oder über synthetische Brennstoffe, die elektrische Energie aus Überschüssen fließt nicht nur zu Grenzkosten in die Speichersysteme, sondern über dann kostendeckende Preise aus den Erneuerbaren. Damit entsteht ein Kreislauf dessen Grenzkosten (sh. Preisbildung) durch die kostendeckenden Vollkosten degressiv angefeuert werden wird.

Der Vortrag endete mit einer rege genutzten Fragerunde. Die EL bedankt sich bei Holger Reutner für den interessanten Vortrag.
